Handlungsempfehlungen aus den Erfahrungen beim offenen Verfassen meiner Doktorarbeit

Ziel meines Experiments war auch die Ableitung konkreter Handlungsempfehlungen aus meinen Erfahrungen beim offenen Verfassen meiner Doktorarbeit. Folgende zehn Empfehlungen resultieren aus den gemachten Erfahrungen:

  1. Bevor sich der Autor oder die Autorin für das offene Schreiben und das zeitnahe oder zeitgleiche Veröffentlichen des jeweils aktuellen Stands der Arbeit entscheidet, sollte mit der Universität geklärt werden, ob diese Art und Weise der Publikation mit den Richtlinien der Institution oder den Voraussetzungen des jeweiligen finalen Veröffentlichungskanals vereinbar sind. Falls Unklarheiten bestehen, sollte eine schriftliche Erlaubnis eingefordert werden. Das gilt insbesondere für wissenschaftliche Qualifikationsarbeiten.
  2. Autoren und Autorinnen, die sich für die direkte Veröffentlichung im Internet entscheiden, sollten sich vorab mit den technischen Grundlagen vertraut machen. Ein Grundverständnis von Quellcodes und Software ist dabei von großem Vorteil, wenn nicht sogar Voraussetzung. Da es bisher nur wenige standardisierte Systeme und Formate für die Erstellung wissenschaftlicher Arbeiten gibt, helfen diese Kenntnisse, Probleme und Herausforderungen zu verstehen, zu lösen und gegebenenfalls zu umgehen.
  3. Die gewissenhafte Auswahl der Software für die Texterstellung und Datenverarbeitung spielt eine wichtige Rolle für das Vorhaben. Die Autoren oder Autorinnen sollten von Beginn an eine Lösung wählen, die es ihnen einfach macht, den Text zu schreiben und zeitnah im Internet zu veröffentlichen. Der Aufwand für die Erstellung und die Motivation, die Arbeit voranzubringen, hängt auch mit dem Nutzungskomfort der Software zusammen. Es sollte zudem sichergestellt werden, dass die Stabilität für den gesamten Text gegeben ist.
  4. Es empfiehlt sich, für die zeitnahe Veröffentlichung, Dokumentation und Anonymisierung der erhobenen Daten gesondert Zeit einzuplanen. Für die Veröffentlichung von Forschungsdaten sollte außerdem eine Plattform gewählt werden, die für die Gewährleistung eines hohen Qualitätsstandards ein Review durchführt und sämtliche Forschungsdaten vor der Veröffentlichung prüft. So kann sichergestellt werden, dass die nötige Anonymität gewahrt ist und die Daten nachhaltig verfügbar und auffindbar sind.
  5. Die Erwartungen an die Reichweite und die Vorteile im Verlauf des offenen Verfassens der Arbeit sollten nicht zu hoch gesteckt werden. Wer das offene Verfassen nutzen will, um während des Schreibens zusätzliches Feedback oder weitere Ideen einzuholen, darf sich nicht darauf verlassen, dass das automatisch geschieht, nur weil die Arbeit jederzeit einsehbar ist. Das ist dadurch bedingt, dass es sich um eine relativ neue Form der wissenschaftlichen Arbeit handelt. Dennoch kann über diese Art der Veröffentlichung eine beachtliche Reichweite generiert werden.
  6. Die Dokumentation des Vorhabens und die damit verbundenen Tätigkeiten sind wichtig und sollten ebenfalls mit eingeplant werden. Die umfassende Dokumentation ermöglicht eine bessere Darstellung des Forschungsvorhabens und der Beweggründe für das Vorhaben. Darüber hinaus bietet sie eine Möglichkeit, interessante Informationen (wie zum Beispiel Zeitplan und Ablauf) fortlaufend bei der Erstellung der Arbeit zu kommunizieren, Nutzer und Nutzerinnen stärker in den Erstellungsprozess mit einzubinden und den Erkenntnisprozess insgesamt transparenter und offener zu gestalten. Auch hier ist allerdings ein Mehraufwand gegenüber der geschlossenen Erstellung von wissenschaftlichen Arbeiten zu erkennen.
  7. Es sollte unbedingt auf eine offene Lizenz zurückgegriffen werden, um den Ansprüchen für Offenheit und Transparenz gerecht zu werden sowie anderen die (Weiter-)Nutzung der Inhalte und Daten möglichst umfassend zu ermöglichen.
  8. Bei der Erstellung, Erhebung und Darstellung sollte jederzeit berücksichtigt werden, dass alle Texte, Daten und Informationen unwiderruflich im Internet veröffentlicht sind und gegebenenfalls auch bleiben. Die offene wissenschaftliche Arbeit erfordert demnach sehr viel Sorgfalt und Disziplin.
  9. Das soziale Umfeld des Autors oder der Autorin sollte auf die Dokumentation der Arbeit hingewiesen werden, da so positiver Druck im Rahmen des Zeitplans entstehen kann. Das motiviert und erhöht die Arbeitsmoral.
  10. Es empfiehlt sich, an prominenter Stelle immer wieder darauf hinzuweisen, dass es sich um eine unvollendete und laufende Arbeit handelt. Außerdem sollten die eventuellen Einschränkungen der Funktionsvielfalt (zum Beispiel keine Kommentarfunktion) in Bezug auf die Selbständigkeit der Erstellung der Arbeit sauber und offen kommuniziert werden.